Mittel und Zweck

“Das Leben der Menschen ist gespalten in ein Dasein als Mittel – Arbeit oder Job genannt, worin fremde, nicht selbst gesetzte Zwecke regieren – und ein Dasein als Selbstzweck, ein schrumpfender Freiraum, worin man die Freiheit der Wahl als Konsument im Rahmen des Entgelts für Mitteldienste realisieren darf. Was dabei konsumiert wird, ist in seiner Herkunft völlig der eigenen Lebenswelt entfremdet; es sind spezialisierte Andere, die dafür sorgen: Vom chinesischen Produzenten bis zum europäischen Marketing-Direktor, der Produkt- und Werbepläne steuert. Ein Arbeiter mag für seine Rente in einen Anlagefond investieren, der eine Private-Equitiy-Firma finanziert, die das Unternehmen, in dem er sein Geld verdient, aufkauft und ihn dann entlässt. Eine Familie neben einem Kernkraftwerk mag die Betreiberfirma wegen eines Leukämieverdachts verklagen, während dieselbe Familie Strom von eben diesem Kernkraftwerk bezieht. Wir bewegen uns in einer Welt der Mittel, deren Zuordnung zu Zwecken völlig aus dem Blick geraten oder hinter einem dichten Geldschleier verborgen ist.”

Karl-Heinz Brodbeck, “Zweckmäßige Täuschungen – zur Philosophie der Katastrophe”

Macht

“Wer Macht hat, repariert nur und versucht, die Ergebnisse zu manipulieren. Wer keine Macht hat, muß sich selber wandeln.”

Richard Rohr in Dietrich Koller, Heilige Anarchie, Claudius, 1999, S. 216

Schneeballsystem der Wachstumsspirale

“Bei Licht betrachtet ist die Wachstumsspirale der Wirtschaft ein sogenanntes Schneeballsystem, das darauf beruht, dass die Gewinnauszahlungen an frühere Investoren aus den Einzahlungen neuer Investoren gespeist werden. Man zahlt alte Schulden mit neuen Schulden. Im Unterschied allerdings zu einem Schneeballsystem, wie es immer wieder durch betrügerische Kettenbriefaktionen lanciert wird, entstehen im gesamtwirtschaftlichen Schneeballsystem der Wachstumsspirale reale Gewinne und Einkommenszuwächse, weil die Natur gezwungen wird, mitzuspielen, denn die Rohstoffe und Energieträger können der Natur entnommen werden, ohne dass der Eigentümer des Ressourcenvorrats der Natur etwas dafür bezahlen muss. Der Verbrauch der Natur ist gratis. Dies kommt einer Verschuldung gegenüber der Natur gleich, die man nicht begleichen muss. Das macht es lukrativ, sich möglichst viel Ressourcen der Natur anzueignen und rentabel zu verwerten; denn es entstehen selbstverständlich dort die größeren Gewinne, wo man etwas verkaufen kann, das man nicht gekauft hat, das man einfach ohne Bezahlung in Besitz nehmen konnte.”

Hans Christoph Binswanger, “Die Ruhe in der Wirtschaft”, Aufgang 8 (2011), S. 189.

Arbeit mit unserer Motivation

“Meditation ist Arbeit mit unserer Motivation, mit unserer, d.h. auch mit der sozialen Form dieser Motivation – der Geldgier, dem Machtstreben, dem Wettbewerbsdenken, dem Erfolgsstreben und den tausend Eitelkeiten der Selbstdarstellung im Wahn der Konsum- und Medienwelten. Etwas Entspannung auf dem Sitzkissen, dann wieder die ganze Wucht des alltäglichen Unsinns, der es immer wieder schafft, unseren Geist zu kontaminieren – das ist zu wenig. Deshalb sollten wir daran arbeiten, engagiert, geduldig, friedlich und in enger Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Denkschulen auch der großen, der kollektiven Verblendung schrittweise die täuschende Macht zu entziehen.”

Karl-Heinz Brodbeck (http://www.ursache.at/spiritualitaet/ethik/300-der-mittlere-weg-)

Selbsterfahrung statt Konsum

“Die Selbstgestaltung des Lebens aus dem kreativen Potential der Menschen wird durch die Märkte zerrissen; das Handeln und die Produkte des Handelns (die Konsumgüter) werden in fremde Lebensbereiche verwandelt. Die darin liegende Effizienzsteigerung durch die Arbeitsteilung zieht zugleich die Entfremdung der Menschen von ihren eigenen Möglichkeiten nach sich. Die menschliche Kreativität wird durch die Ökonomie völlig funktionalisiert und in einen bloßen “Erfolgsfaktor” verwandelt. Die Kreativität der Selbsterfahrung und Selbstgestaltung wird im ökonomischen Betrachtungshorizont ausgeklammert.”

Karl-Heinz Brodbeck, Buddhistische Wirtschaftsethik, 2002, S. 86.

Die Politiker sind das systemische Risiko

Europäische “Führer” unterliegen der Illusion – oder geben das vor -, dass sie zur Rettung ihrer Ökonomie Lastwagenladungen von Steuergeldern berappen müssen, um damit genau die Institutionen zu erhalten, die die Hauptbeteiligten an der Erzeugung der Krise sind. Das Argument, das zur Verteidigung dieser politischen Maßnahme benutzt wird, wird mit dem Begriff “systemisches Risiko” bemäntelt.

Das ist jedoch ein falsches Argument, wenn man nur für ein oder zwei Sekunden darüber nachdenkt.

Das Hauptrisiko, das tatsächliche und größte Risiko liegt nicht im Bankensystem oder dem ökonomischen System. Es ist das politische System. Und keines von beiden kann oder wird letzten Endes gerettet werden.

Dadurch dass Politiker auf der ganzen Welt nach der Prämisse agieren, ihr Überleben zu sichern, indem sie die Wiege der Bankenherde nicht zu stark schaukeln, erhalten sie eine weitere Runde von Ausgaben und regieren eine weitere Periode. Und eine weitere. Die meisten von ihnen sind ratlos, wenn es um das Feld geht, das sie eigentlich beaufsichtigen und regulieren sollen. Und die einzigen Leute, die ihnen das Wie und Was benennen können, sind die Lobbyisten, die für genau die Gruppen arbeiten, für deren Regulierung sie da sind.

Das ist das wirkliche systemische Risiko. In einer Form, die Sie selbst betreffen wird. Das politische System gegen das ökonomische System. Und es ist schwierig geworden, sie noch auseinander zu halten, weil sie dem selben Zweck dienen.

Ilargi im Weblog von Automatic Earth (meine Übersetzung)

Sachzwänge = selbst gesetzte Denkzwänge

FAZ: Ist es rücksichtslos, wenn ein Bankmanager 25 Prozent Rendite für sein Institut vorgibt?

Ulrich: Ich halte dieses Ziel in der Tat für angreifbar. Zum Minimalbestand an Einsichten gehört doch, dass ein maßloses Renditestreben eine wesentliche mentale Ursache des Schlamassels ist. Insofern ist es ein fatales Signal, wenn bereits wieder Zahlen wie 25 Prozent Rendite als verbindliche einzige Zielgröße des angestrebten Unternehmenserfolgs ausgegeben werden. Das spricht dafür, dass ein Umdenken nicht stattgefunden hat.

FAZ: Müssen Manager – auch ihre Familien wollen schließlich ernährt werden – nicht hohe Gewinne anstreben, weil die Eigentümer sie sonst vor die Tür setzen?

Ulrich: Genau das nenne ich „Sachzwangrhetorik“. Es ist doch seltsam: Dieselben Leute, die uns in Sonntagsreden weismachen wollen, dass der Markt der Inbegriff der Freiheit ist, reden ständig in diesem Modus des Müssens – irgendjemand, meist die anonyme Konkurrenz, zwinge sie zu diesem oder jenem.

FAZ: Aber dieser Wettbewerbsdruck ist doch nicht eingebildet.

Ulrich: Das nicht, aber hinter den Sachzwängen stehen selbst gesetzte Denkzwänge! Es ist die Gewinnmaximierungsdoktrin selbst, die letztlich den Zwang zu rücksichtslosem Wirtschaften erzeugt. Von echten Führungskräften dürfen wir Bürger mehr erwarten.

FAZ: Nämlich?

Ulrich: An die Spitze einflussreicher Unternehmen gehören Leute, die glaubwürdig sind, weil sie integer sind und ihr Wirtschaftsdenken nicht von ihrem Selbstverständnis als anständige Bürger abspalten.

FAZ: Was würden die besser machen?

Ulrich: Sie würden niemals nur von Rendite reden, sondern immer zugleich von sich selbst verlangen, allen Anspruchsberechtigten, und damit nicht nur den Eigentümern, in fairer Weise zu dienen.

FAZ: Brauchen wir dafür nicht auch bessere Anreizstrukturen, die so ein Verhalten erst möglich machen?

Ulrich: Das deterministische Denken in Anreizstrukturen ist selbst schon ein Problem. Gedanklich werden wir alle dadurch zu Marionetten degradiert. Dann bräuchte man keine teuren Führungskräfte, weil sie fast nichts mehr zu entscheiden und zu begründen hätten. So ist es natürlich nicht.”

FAZ-Interview mit dem St. Galler Wirtschaftsethiker Prof. Peter Ulrich

“Finanzkrise” und “Realwirtschaft”

Conde: Durch den weltweiten Handel mit Finanzpapieren wurde die Summe der Geldwerte derart aufgeblasen, dass diese bald das Hundertfache und noch mehr der realen Wirtschaftsgüter betrug, und dabei ist die Grenze tendenziell nach oben offen. Doch das ist wie mit einem Luftballon: Wenn ich ihn über die Möglichkeiten seiner materiellen Substanz hin versuche aufzublasen, platzt er schließlich. Erst dann merkt das Kind, dass seine Größe eigentlich Luft war und dass auch seine Materie nun kaputt ist. In den Finanzmärkten sind wir inzwischen genau an diesem Punkt. Wir waren wie Kinder, die sich von der Größe eines finanziellen Luftballons haben blenden lassen, ohne zu merken, dass er desto eher platzt und uns in die Explosion mitreißt, je mehr wir ihn aufblasen wollen. Die aufgeblasene Masse des Geldes existiert nur in den Zahlen der Banken, darüber hinaus entspricht ihr kein Wert mehr. Das erfundene Geld wurde wichtiger als die realen Güter. Wer dieses Geld “hat”, lebt in der Illusion, etwas zu besitzen, was eigentlich nichts ist, etwas, was es gar nicht gibt. Geldsummen und Sachwerte entsprechen sich nicht mehr, und dann kollabiert das Finanzsystem.

Aufgang: Der Zusammenbruch der Finanzmärkte, die bittere Einsicht. dass seine Werte nur imaginär waren, wird sich also früher oder später auch negativ auf die Wirtschaft auswirken?

Conde: Das wird so kommen, weil die Wirtschaft treibenden Menschen inzwischen ihre Güter an die künstlich hergestellten Finanzgewinne, an ein erfundenes Geld, gekoppelt haben, um größeren Profit zu erreichen. Die durch den Zusammenbruch der Finanzmärkte entstandenen gewaltigen Verluste müssen durch realwirtschaftliche Güter ausgeglichen werden, konkret etwa durch Steuergelder, also letztlich durch den Besitz und die Arbeit des “kleinen Mannes von der Straße”, durch jeden einzelnen von uns. Das kann und wird mittelfristig eine gewaltige Verarmung weiterer Teile der Bevölkerung mit sich bringen. Der künstlich aufgeblasene Finanzmarkt war ein eingebildetes, weil inhaltloses Fundament, und wir haben Fehler gemacht, unsere Wirtschaft darauf aufzubauen. Kein Wunder, dass sich dieses nur imaginierte Fundament jetzt als unhaltbar erweist und uns alle ebenso tief mit in den Abgrund reißt, wie stark wir es aufgeblasen haben.”

Mario Conde, “Von der Bank zur Mystik”, Aufgang, Band  6:  Von der Wissenschaft zur Mystik, S. 23-24.

Emerging Church

Die “sich entfaltende Kirche” ist ein relativ neues Phänomen in ganz unterschiedlichen christlichen Denominationen, bei dem kleinere Gruppen von Menschen mit einer breiten Palette von Standpunkten sich in einem übergreifenden Dialog als Teil einer gemeinsamen Bewegung sehen. Auch das CAC von Richard Rohr versteht sich als Mitglied dieser wachsenden Gemeinschaft und hat gerade eine Konferenz zum Thema organisiert.

Über den Ablauf und die Inhalte der Konferenz können Interessierte etwas auf den Blog-Seiten des Teilnehmers Carl McColman (siehe diesen und die nachfolgenden Einträge) nachlesen. Diese Form von Kirche könnte das Christentum am Leben erhalten. Nachdem die Amtskirche in ihrer Form erstarrt ist, haben sich in Deutschland in der Vergangenheit bereits kleine Gruppierungen als “Hüter des Feuers” erwiesen, die mit dem Oberbegriff “Kirche von unten” zusammengefaßt werden können. Vertretern dieser Bewegung wird man wieder auf dem evangelischen Kirchentag in Bremen (20.-24. Mai) begegnen können. Richard Rohr ist auch da und wird außer bei einem Vortrag “Mann, wo bist du?” auch auf dem Stand des Ökumenischen Arbeitskreises Enneagramm zu finden sein. Leider ist diese Information in der Programm-Datenbank des Kirchentages nicht zu finden.

“… eine Kirche der kleinen Einheiten, der persönlichen Beziehungen. Ganz unterschiedliche Gemeinden und Einzelpersonen finden sich hier zusammen. Was sie vereint, ist der Glaube daran, dass authentische Persönlichkeiten wichtiger sind als eine perfekte Organisation.”

Dieser Text aus dem Faltblatt der Ankündigung eines Studientages mit Richard Rohr in Hamburg am 8. Juni zum Thema “Wie sieht die Zukunft der Kirchen aus” fasst noch einmal gut zusammen, was “emerging church” bedeutet und welche Bedeutung sie in der Zukunft gewinnen könnte.

Kapitalismus

“Der Kapitalismus ist kein äußeres Ding, sondern eine Denkform, die sich in der Geldverwertung immer wieder neu erschafft und reproduziert. Nur weil ein stalinistischer Zentralplan einen anderen Dialekt verwendete, reproduzierte er die abstrakte Gewalt der Geldherrschaft nicht minder als jene globalen Finanzmassen, die sich im rationalen Kleid der Geldgier die Länder auf unserem Planeten gefügig machen — unter dem Applaus einer Ökonomik, die an den Schreibtischen von IMF, Weltbank, WTO und lokalen Instituten die Köpfe beherrscht.”

Karl-Heinz Brodbeck, Die Herrschaft des Geldes, S. 9